Völkerverständigung statt Haß und Krieg
von Heinz Schild
DINSLAKEN. Daß Freud und Leid eng beieinander liegen, daran erinnerte Bürgermeister Kurt Altena in der gestrigen Sondersitzung des Rates. Anläßlich der Zerstörung Dinslakens vor 50 Jahren wurden zwei Kapitel in der Geschichte der Stadt aufgeschlagen: Gedacht wurde des "schwarzen Freitags", als die Bomben der Alliierten Dinslaken in Schutt und Asche legten. Gewürdigt wurde aber auch das 20jährige Bestehen der Partnerschaft mit der französischen Stadt Agen, die am 23. März 1975 besiegelt worden ist.
Zu dieser Ratssitzung war extra eine Delegation aus Agen unter Führung von Bürgermeister Dr. Paul Chollet angereist. Und neben den geladenen Gästen nahmen auch einige Dinslakener Bürger an der feierlichen Sitzung teil, wenngleich doch etliche Besuchersitze leer blieben.
Für falsches Pathos sei in dieser Sondersitzung kein Platz, sagte Dinslakens Bürgermeister Kurt Altena. Das Gedenken an die Opfer und die Zerstörung der Stadt müsse alle in erster Linie nachdenklich stimmen. Verständlich seien Gefühle wie Betroffenheit und Trauer, doch dürfe Haß auf jene, die irgendwie an dem Bombenhagel beteiligt gewesen waren, nicht aufkommen. Denn man dürfe nicht vergessen, wie viel Leid und Unrecht zuvor von deutschem Boden ausgegangen seien. Der 23. März 1945 sei nur ein Datum in der Kette des Leidens und Grauens. Kurt Altena wünschte sich, daß die gestrige Ratssitzung alle vereine, "in der Hoffnung und dem Bemühen, künftig alles zu tun, um Krieg, Haß und Völkermord zu vermeiden". Aus der Geschichte müsse man lernen und sich vor falschen politischen Propheten hüten. Die jungen Menschen seien an ihre Verpflichtung zur Friedenssicherung und zur Aussöhnung der Völker zu erinnern. Altena; "Wir trauern und gedenken heute der Toten, unabhängig ihrer Nationalität." Dankbarkeit empfand er jenen Männern und Frauen, die Dinslaken neu aufgebaut hatten.
Von symbolischer Bedeutung sei, so Kurt Altena, daß der 23. März als offizieller Termin für die Städtepartnerschaft Dinslaken / Agen gewählt worden sei. Denn so stehe der 23. März 1975 für Hoffnung und Freundschaft, dies sei das Verdienst der beiden Väter dieser Städteverbindung, Karl-Heinz Klingen und Dr. Pierre Esquirol. Die Partnerschaft sei in den letzten 20 Jahren stetig gewachsen und habe die beiden Kommunen und ihre Bewohner einander nähergebracht, dauerhafte Freundschaften seien entstanden. Erfreut war Bürgermeister Altena, daß der französischen Delegation viele Jugendliche angehören, denn an ihnen werde es liegen, die Beziehungen der beiden Städte weiter zu festigen und zu vertiefen.
Agens Bürgermeister Dr. Paul Chollet wies darauf hin, daß Dinslaken und Agen zu den ersten Kommunen ihrer Länder zählten, die mit ihrer Partnerschaft einen Beitrag zur europäischen Verständigung geleistet hätten. Die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit seien Verpflichtung, etwas Neues, etwas Gemeinsames aufzubauen. Die Jüngeren müßten auf dem beschrittenen Weg weitergehen. Es gehe darum, alle Kraft aufzuwenden, die Freundschaft zwischen den Städten zu festigen. Und so lud Chollet eine Dinslakener Delegation für September nach Agen ein, denn es gelte, "Wege zu finden, die Fackel, die Klingen und Dr. Esquirol uns in die Hand gegeben haben, an die nächste Generation weiterzugeben."
Überrascht war auch Kurt Altena, als er dann von seinem französischen Amtskollegen die Medaille von Agen überreicht bekam, denn sie macht den Dinslakener Bürgermeister zum Ehrenbürger der französischen Stadt.
Bekräftigt wurde die Einladung nach Agen von drei französischen Jugendlichen. Sie ermunterten die Dinslakener Jugend zu einem Gegenbesuch, damit die Freundschaft der Städte noch lange dauere.
Welche historische Bedeutung das Jahr 1945, das für Niederlage und Befreiung, für Zusammenbruch und Neubeginn stehe, für die deutsche und die Weltgeschichte hatte, erläuterte Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer vom Historischen Seminar der Wilhelmsuniversität Münster in seinem Vortrag.
Rheinische Post 24. März 1995, RP-Photo: Katzur
Bild+Text "Ehrenbürger":