"Liebe Mühle mahle mir
Mehl zu Brot sogleich all hier"
So fix wie im Märchen von der Wunschmühle mahlt es sich in Wirklichkeit leider nicht, dies weiß jeder. Wie aber das Mahlen richtig vor sich geht, das sollte man eigentlich genau kennen - so dachte jedenfalls der Vollbauer Stöffken aus Oberlohberg. Und ihm zeigte eines Tages der Müller als einzigem die ganze Mühle bis in den Kappboden. Sicherlich tat er es nur deshalb, weil er sein bester Mahlgast war. Dietrich Stöffken nämlich schickte seinen Knecht mit einigen Zentnern Roggen und Hafer zur Windmühle. Zuguterletzt entschloß er sich mitzufahren, um noch Weizen einzuhandeln und vor Martini alles abzurechnen.
In der Mühle fand er den Müller bald auf dem dämmerigen Mehlsöller mit Bleistift und Mahlbuch in der Hand. Während der Knecht die Karre in die Mühleneinfahrt zurücksetzte und das Pferd ausspannte, fiel ihm sein Begehren ein und er meinte: "Du solltest mir einmal Deine Mühle zeigen. Bisher kenne ich nur den Mehlsöller". Statt jeder Antwort zog der Müller zunächst jedoch mit dem Krüwerk den Krüsteert und damit Kappe und Flügelkreuz in den Wind. Kaum waren die Segel vorgezogen und die Bremse gelöst, da drehten sich schon die Flügel. Der Geselle ließ den Sackzug abschnurren, und ein Sack nach dem anderen rasselte durch die Luken nach oben. Endlich wies der Müller mit der linken Hand hinterher, und Stöffken stieg über die leise zitternde Treppe empor zum Steinsöller. Gerade nahm der Geselle den letzten Sack von der Kette und ließ das Korn gemächlich in den viereckigen Holztrichter ("Rumpf") rieseln, der über dem Läuferstein befestigt war. Von da flossen die Körner zwischen die Mahlsteine.
Dietrich Stöffken erkannte in dem halbdunklen Raum, daß nur der obere Stein, der Läuferstein sich drehte, während der Bodenstein feststand. Das Korn wird zwischen den Steinen zermahlen und durch die Rillen nach und nach an die Außenseite geleitet. Durch die Sackpfeife fällt der Schrot in den untergebundenen leeren Sack. Mit der Winde wird das Mahlgut zuletzt wieder auf die Karre heruntergelassen. "Wenn Du Mehl haben willst, muß ich alles noch durch den Beutelkasten laufen lassen. Die übrigbleibende Kleie wird sogar noch ein zweites mal durch die enger gestellten Steine gemahlen", erklärte der Müller. Vom nächsten Boden aus stellte er, nachdem er mit der Bremse das Getriebe angehalten hatte, auch noch die zwei anderen Mahlgänge ein. Kaum war die Bremse gelöst, da schwoll das Schnurren und Stampfen und dumpfe Klopfen gewaltig an. Die Treppe zum Kappboden schütterte, und das Mahlwerk begann zu beben. Kaum wagte der Bauer, auf der vorletzten Treppenstufe stehend, den Kopf durch die Luke zu stecken. Der Anblick des dämmerigen Kappsöllers mit dem kreuz- und querverstrebten Balkenwerk und den wirbelnden Zahnrädern jagte ihm einen ehrfürchtigen Schauer über den Rücken.
Dicht vor seinen Augen griffen die Holzzähne von Kammrad und Bunkel ineinander. In der hellen Vormittagssonne leuchtete jeder vorüberhuschende Zahn hell auf, und im Takt der sausenden und zischenden Flügel verdunkelte sich der Bodenraum. Unermüdlich drehte sich das Kammrad, daß man den weißen Namen auf dem Rahmen kaum entziffern konnte. Der Müller aber kletterte unbekümmert über das Fugholz und schlug geschwind einen lockeren Keil fest. Gleich darauf winkte er mit der freien Hand zum Abstieg. Auf den fragenden Blick des Müllers meinte Stöffken: "Wie die Mühle arbeitet, ist mir nun klar."
Sein Leben lang würde er die schwere Musik des ächzenden Räderwerks im Ohr haben, das Flattern und Knallen der voll vorgezogenen Segel und den rauschenden Schwung der Flügel. Wir aber wollen unsere Mühle nicht vermissen.
Hiesfeld ohne Windmühle? Undenkbar! Wir wollen sie pflegen und niemand soll Hand an sie legen dürfen.
(Aus einer Schrift, die im Auftrage der
Adler-Apotheke Dinslaken verfaßt wurde.)