Schaurige und amüsante Geschichten
VORTRAG / Stadtarchivarin Gisela Marzin zeichnete ein lebendiges Bild von den Anfängen Hiesfelds bis in die Neuzeit
DINSLAKEN. Nur der Kamin fehlte noch, ansonsten fühlten sich die Gäste in der Hiesfelder Wassermühle wie zu einer Erzählstunde bei Großmuttern. Stadtarchivarin Gisela Marzin hatte mit dem Mühlenverein zu einem Gang durch die Hiesfelder Geschichte bei selbstgebackenem Brot und passenden Getränken eingeladen - und im Hintergrund rauschte romantisch der Rotbach. Leider bot die Veranstaltung im Rahmen der pro-Hiesfeld-Reihe nur 40 Gästen Platz.
Die Reise durch die Zeit begann in biblischer Zeit bei der Geschichte des Heiligen Cyriakus, den die ursprünglichen Hiesfelder verehrten und ihm eine Kirche widmeten. Weiter ging es über die Herkunft des Ortsnamens ins finstere Mittelaltter, als Hiesfeld zum ersten Mal erwähnt wurde. Jutta derer zu Hiesfeld war 1278 die Erste, die aus dem Geschlecht der Hiesfelder Herren erwähnt wurde. Zunächst im Besitz der Abtei Werden, gehörten die Ländereien später zum Lehnsgebiet derer zu Kleve.
Gisela Marzin machte deutlich, wie gut dokumentiert die Lokalgeschichte ist. "Die Hiesfelder hatten einen Hang dazu, vieles aufzuschreiben - zum Glück!" Hiermit war nicht zuletzt die Familie Eickhoff gemeint, die immer wieder in Schriftstücken und Erzählungen auftaucht. Außerdem gab es den bedeutenden Gerichts- und Pfarreiort Hiesfeld schon vor der heutigen Stadt Dinslaken. Darauf sind die Hiesfelder Bewohner noch heute stolz.
Im Laufe der Zeit wurde hier viel gelebt, gelitten und gelacht. Natürlich durften Sagen und Legenden genauso wenig fehlen wie die schaurigen, manchmal auch grausamen Fakten. Es entbehrt ja auch nicht einer gewissen Ironie, dass der alte Galgen des Hiesfelder Hochgerichts heute ungefähr dort angesiedelt wird, wo jetzt (noch) das Bergwerk Lohberg thront.(Anmerkung: Das heutige Lohberg zählte bis 1917 als "Unterlohberg" zu Hiesfeld.)
Reformations-, Schul- und Mühlengeschichte des Ortes wurden ebenfalls lebendig wie die Vereinsgeschichte. Manches lässt sich heute noch wiederfinden. Oder hätten Sie gewusst, dass die "Schüttereien", die Schützenvereine, schon zur Zeit von Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. unter den Gilden der Stadt eine Sonderstellung einnahmen? "In Hiesfeld wusste man schon immer zu feiern", erzählt die Referentin schmunzelnd. Es gab also nicht nur Schauriges, sondern auch viel Amüsantes aus acht Jahrhunderten zu erzählen und das Publikum war begeistert.
Der Stadtarchivarin gelang es, geschichtlich Verworrenes in einfache Worte aufzulösen und ein prägnantes Bild von der bewegten Hiesfelder Geschichte zu zeichnen. Auch ließ sie Zeitzeugen aus vielen Jahrhunderten zu Wort kommen. Eines wurde in jedem Fall deutlich: Lokalgeschichte muss nicht langweilig sein! (MG)
NRZ 11. Oktober 2003
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