Infoplus                                     "Domina" Mechthild

Mechtild von Virneburg, Herrin von Dinslaken
1310 bis 1338
von Gisela Marzin

Es ist ein Glücksfall, dass eine mittelalterlichen Urkunde uns die Nachricht überliefert, dass im Herbst 1310 Mechtild von Virneburg, die Witwe des Grafen Otto von Kleve, als junge Frau die Herrschaft in Stadt und Land Dinslaken übernimmt und sie fast dreißig Jahre ausübt. Sie ist die bedeutendste Frau, deren Lebensspuren im mittelalterlichen Dinslaken nachzuvollziehen sind. 

Mechtild entstammt dem im 14. Jahrhundert bedeutenden Geschlecht der von Virneburg. Das Dorf Virneburg und die namengebende Burg liegen in der Eifel zwischen der Stadt Mayen und dem Nürburgring an der B 258 im Tal des Nitzbachs. Die Grafen von Virneburg gehören als Lehnsträger des Kölner Erzstifts zu den hochrangigen Vertretern des Adels, und sie sind bedeutende Parteigänger des Kölner Metropoliten 1Das hindert sie nicht daran, im Erzbistum Trier verschiedene Ämter auszuüben - liegt doch ihre Grafschaft an der Grenze beider Erzbistümer.

Mechtilds Vater, Robert oder Ruprecht (1270 bis 1308), verfügt über umfangreichen Besitz im Raum Mayen, ist Amtmann in Cochem, Münstermaifeld sowie Mayen, und seine verwandtschaftlichen Verbindungen reichen bis ins französische Königshaus.Als erzbischöflicher Marschall im Herzogtum Westfalen ist er einer der höchsten Funktionsträger.

Mechtilds Mutter, die Gemahlin Roberts, heißt Kunigunde. Ihre Herkunft lässt sich nicht mit letzter Sicherheit klären. Einige Stammtafeln verzeichnen sie als eine Angehörige derer von Cuijk, andere als Kunigunde von Neuenahr. Mechtilds Geburtsjahr bleibt im Dunkeln: Es ist zwischen 1291 und 1296 anzusetzen. Mit Gewissheit wächst Mechtild in einem Kreis von sechs Geschwistern auf, vier Brüdern und einer Schwester. Sie soll die Jüngste gewesen sein, wenn der Reihenfolge in der Stammtafel Glauben zu schenken ist. Ihr ältester Bruder, Robert, tritt 1308 die Nachfolger des Vaters an und wird Graf von Virneburg. Ihr zweiter Bruder, Heinrich, schlägt, wie damals üblich, die geistliche Laufbahn ein und wird 1328 zum Erzbischof von Mainz geweiht. 

Ihre ältere Schwester, Elisabeth, heiratet 1314 Heinrich von Österreich, den Bruder des regierenden Herzogs Lupold, der sich 1314 vergeblich um die Wahl zum deutschen König bemüht. Um dieses Ziel zu erreichen, hat Lupold beträchtliche Summen an Erzbischof Heinrich und den Grafen von Virneburg gezahlt und einer Hochzeit zwischen seinem Bruder und Mechtilds Schwester zugestimmt. Wäre Lupold erfolgreich gewesen, hätte Mechtild in unmittelbarer Nähe des kaiserlichen und königlichen Thrones gestanden. Es wird auch ohne einen König in der Familie deutlich, dass Mechtild und ihre Angehörigen im Gefüge der damaligen Familien des Deutschen Reiches mit an der Spitze stehen.

Mechtilds Werdegang und Schicksal liegen im Fadenkreuz der machtpolitischen Interessen dreier Männer: Ihres Bräutigams Graf Otto von Kleve, ihres Onkels Heinrich von Virneburg und des Klever Grafen Dietrich IX.  Otto, geboren 1287, ist der elfte in der Reihe der Grafen von Kleve 2Er regiert die Grafschaft seit 1305.

Ein Jahr nach Ottos Amtsantritt besteigt Heinrich von Virneburg, Mechtilds Onkel, im Jahre 1306 den erzbischöflichen Stuhl zu Köln und verbleibt bis 1332 in diesem Amt 3Er stellt rasch freundliche Beziehungen zum jungen Grafen Otto her und zählt ihn bald zu seinen treuesten Anhängern und Verbündeten 4Um seinen Einfluss entlang des Rheinstromes auszuweiten, arrangiert Heinrich von Virneburg schließlich die Eheschließung seiner Nichte Mechtild mit Graf Otto von Kleve.

Die Ehe zwischen Mechtild von Virneburg und dem Grafen Otto von Kleve. Am 1. August 1308 heiratet Mechtild von Virneburg 5die zu dem Zeitpunkt zwischen zwölf und siebzehn Jahre alt gewesen sein dürfte, den Grafen Otto von Kleve. Als Aussteuer, die aus den Rheinzöllen bei Andernach und Bonn resultiert, erhält sie 8000 Mark guter Brabantischer Denare von ihrem Onkel, dem Kölner Erzbischof Heinrich II. von Virneburg. Dafür soll sie Otto enger an die Kölner Kirche binden. Der Betrag der Aussteuer entspricht heute einem Millionenvermögen.

Die Ehe zwischen Mechtild und Otto dauert knapp zwei Jahre; Otto stirbt im September 1310 6Mechtild wird im Alter von nicht einmal zwanzig Jahren Witwe. Obwohl sehr jung verwitwet, heiratet Mechtild nicht wieder. Aus der Ehe zwischen Mechtild und Otto geht ein Kind hervor: Die Tochter Irmgard wird 1311 geboren, also nach dem Tod des Vaters. Das Kind kommt sicherlich noch in Kleve zur Welt, denn für einen Sohn hätte Mechtild bis zur Volljährigkeit die klevischen Regierungsgeschäfte geführt und wäre deshalb in Kleve wohnen geblieben.

Ottos Nachfolger als Graf von Kleve wird Dietrich IX. Er ist ein Stiefbruder Ottos, lebt von 1297 bis 1347 und entstammt der zweiten Ehe des gemeinsamen Vaters Dietrich VIII. Mechtild von Virneburg erhält als Wittum, als Witwenversorgung, Stadt und Burg Dinslaken mit etlichen Gerichten und Höfen in der Umgebung als Leibzucht. Als Witwe hat Mechtild die Möglichkeit, eigenverantwortlich in dem ihr zugewiesenen Bereich zu wirken; sie ist rechtsfähig. In den Urkunden nennt sie sich "vrouwe van Dynslaken" oder Altgräfin oder lateinisch "domina de Dinslaken". Als Angehörige eines hochangesehenen und begüterten Geschlechts ist Mechtild an einen Lebensstandard mit Annehmlichkeiten gewöhnt. Als Witwe kommt sie mit
einem persönlichen Hofstaat nach Dinslaken, mit adeligen Begleitern und ihren Damen sowie einem eigenen Beichtvater. Wenn sie unterwegs ist, bleibt in Dinslaken ein Teil des Hofstaats zurück:

amptlude, borchlude, torenlude, poerteneir, wechtere ende alle die die borch van Dinslaken te huden ende te waren hebben.7

 (Amtleute, Burgleute, Torleute, Pförtner, Wächter und alle, die die Burg Dinslaken zu hüten und zu wahren haben).

Dass Mechtild adelige Kultur, ritterliche Tugenden oder gar Turniere nach Dinslaken gebracht hat, ist unwahrscheinlich, dafür hatte sie wohl nicht die finanziellen Möglichkeiten. Keine Urkunde bezeugt, ob sie Dinslaken gefördert oder der Pfarrkirche in Hiesfeld durch Stiftungen fürstliche Huld erwiesen hat. Die einzige Kapelle innerhalb der Stadt Dinslaken vor 1436 befand sich im Hauptbau der Dinslakener Burg, in Mechtilds Domizil. Ist es Zufall oder ein von ihr geförderter Akt, dass die Gründung einer Schule  13218 in die Zeit von Mechtilds Herrschaft über Dinslaken fällt? - Fragen, die alle offen bleiben müssen. Gewiss ist, dass Mechtild allein durch ihre Anwesenheit ein wenig Glanz nach Dinslaken bringt, wenn der vergleichende Blick auf die Landstädte der Umgebung gestattet ist.
 

Mechtild, die Herrscherin Mechtild verwaltet das ihr als Witwe übereignete Gebiet, vergrößert es und verfügt über die Erträge. Sie sorgt für ihre Tochter und deren angemessene Verheiratung. Bei alledem stützt sie sich auf die Familie Virneburg. In einer Urkunde vom 29. September 13259niedergelegt während ihrer Anwesenheit in Dinslaken, wird der Begriff "lant van Dinslaken" verwendet, auch wenn damit noch nicht die Grenzen des Bezirks, wie wir sie heute noch verstehen - etwa von der Emscher bis zur Lippe - bezeichnet sind.

Ein Verzeichnis von 132510 umreißt die Ausdehnung ihres Besitzes: das Gericht zu Bottrop und zu Osterfeld mit den dazugehörigen Menschen, den Hof zu Dorsten und zu "Vagedinc" mit dem Zubehör, ferner Eppinghoven und die Gerichte Gahlen und Hamborn mit den zugehörigen Leuten, außerdem Güter und Gerichte auf der anderen Seite des Dinslakener Waldes. Dinslaken bildet einen eigenen Herrschaftsbezirk.

Der Konflikt zwischen Kleve und Köln
Unmittelbar nach Ottos Tod handelt Mechtilds Onkel, der Erzbischof von Köln. Er hat anscheinend auf einen Grund gewartet, um das Lehen Kleve für verfallen zu erklären. Der Erzbischof will seinen Besitz am Niederrhein unbedingt zu einem größeren Territorium zusammenschließen und die Grafschaft Kleve in den Besitz seiner Kirche bringen. Daher bestreitet er das Nachfolgerecht Dietrichs. 1311 lässt er ein umfangreiches Verzeichnis anfertigen, in dem er alle Lehen aufzählt, die Kleve von Köln erhalten und dem Erzbistum im Laufe der Zeit entfremdet hat; dazu gehört u.a. das Land Dinslaken11Im Entwurf eines Friedensvertrages aus der Zeit 1314/15 zwischen dem Erzbischof Heinrich und dem Grafen Engelbert von der Mark - dem Hauptgegner Kleves - werden die Ansprüche erneut aufgezählt12Nach diesen Plänen soll die Grafschaft Mark die rechtsrheinischen Teile Kleves erhalten. Das überrascht zunächst, doch dahinter steckt Kalkül: Irmgard, Mechtilds Tochter, wird als Kleinkind dem klevischen Konkurrenten Adolf von der Mark zur Ehe versprochen. Einen weiteren Verbündeten sucht sich Erzbischof Heinrich, als er am 9. Mai 1314 in einem Vertrag verspricht, Friedrich den Schönen von Österreich bei der bevorstehenden Königswahl zu unterstützen13und verheiratet etwa zeitgleich seine Nichte Elisabeth (Mechtilds Schwester) mit einem Bruder des künftigen Königs.Im Vertrag von 1314 gibt Friedrich von Österreich für den Fall seiner Wahl dem Erzbischof folgendes Versprechen: Der König wird dem Erzbischof gegen alle seine Feinde beistehen,...

Besonders will er dem Erzbischof zur Erlangung der Grafschaft Kleve, die diesem devolviert (anheimgefallen, Anm.) ist, behülflich sein. Außerdem baut der Erzbischof in Mechtilds Interesse eine Klausel zugunsten der dreijährigen Tochter Irmgard in die Urkunde von 1314 ein:
7. Die Tochter des Grafen Otto von Kleve will er mit den heimgefallenen Reichslehen belehnen. ..." 14Für den Kölner Erzbischof kommt die Königswahl von 1314 einer Katastrophe gleich: Ludwig von Bayern wird zum deutschen König gewählt. Dieses Ereignis geht als die Doppelwahl in die Geschichte ein, denn Ludwig und Friedrich herrschen zunächst als deutscher König. Dennoch: Der Bayer ist der Stärkere und Erzbischof Heinrich hat auf die falsche Karte gesetzt. Nicht genug damit, dass er an Macht und Einfluss verloren hat, er steht einem erstarkten Grafen Dietrich IX. von Kleve gegenüber, denn dieser hatte sich für den Bayern ausgesprochen.

Nach der Königswahl müssen umfangreiche diplomatische Verhandlungen begonnen haben, denn 1317 gibt es einen Schiedsspruch zwischen Erzbischof Heinrich, Graf Engelbert von der Mark, Mechtild, die in der Urkunde Mechtild von Kleve und Herrin von Dinslaken genannt wird, und ihrer Tochter Irmgard einerseits und verschiedenen anderen Adeligen des Niederrheins andererseits, mit denen der Bischof Auseinandersetzungen hatte15Dieses Schiedsverfahren regelt 121 umstrittene Fälle. Alle Forderungen Kölner Kirchenfürsten werden zurückgewiesen. Mechtild wird im Kopf der Urkunde ausdrücklich als Mitausstellerin genannt, doch erst die Punkte 113 bis 121 betreffen Mechtild: Die Ehe zwischen Adolf von der Mark und Irmgard, Tochter Ottos von Kleve, die der Graf von Kleve nicht als rechtsgültig anerkennen will, soll vom Papst und der Kirche geprüft werden.

Der Versuch Mechtilds und des Erzbischofs Heinrich von Virneburg, Dinslaken durch die Eheschließung Irmgards mit Adolf von der Mark näher an Köln zu rücken und  die Kölner Ansprüche auf Kleve durchzusetzen, scheitert. Das Eheversprechen zwischen Adolf und Irmgard wird gelöst. Damit erleiden auch Mechtilds Gedanken an eine Herrschaft Dinslaken, losgelöst von Kleve, Schiffbruch. Dinslaken bleibt durch diesen Schiedsspruch im Verband Kleves.
Zehn Jahre später wird abermals offensichtlich, wie kirchliche Regelungen für Machtpolitik funktionalisiert werden. Die politischen Konstellationen haben sich entscheidend gewandelt: Adolf von der Mark heiratet 1327 Margarete, die Tochter seines früheren Feindes, Graf Dietrichs von Kleve.

Deutlich wird, dass Mechtild zu der Familie ihres Mannes, besonders zu Dietrich IX., kein gutes Verhältnis hat. Dagegen hatte sich ihr Onkel, der Erzbischof Heinrich von Virneburg ihrer schützend angenommen und beansprucht dafür Dinslaken als Kölner Lehen. Für Mechtild muss es ein schwacher Trost gewesen sein, wenn in dem Schiedsspruch von 1317 der Erzbischof verpflichtet wird, den Klever zu belehnen, und es weiter heißt, dass "Mechtild, die Witwe Ottos von Kleve, ihr Wittum und ihre Tochter Irmgard bestimmte Güter erhalten solle". Um den 

Schaden zu begrenzen, überträgt Mechtild dem Grafen Dietrich IX. die Vormundschaft über ihre Tochter Irmgard. Für acht Jahre, bis zur standesgemäßen Verheiratung Irmgards im Jahr 1325 mit Johann von Arkel, einem jungen Mann aus einem angesehenen Geschlecht bei Utrecht, kehrt Ruhe in die Auseinandersetzung zwischen Mechtild und den Klevern ein.

Nach der Eheschließung der Tochter muss sich Mechtild einschränken. Fünfzehn Jahre nach Eintritt der Witwenschaft - kurz nach der Heirat der Tochter - muss sie große Teile ihres Besitzes und ihrer Einnahmen abgeben. Noch im selben Jahr, 132516verzichtet Meghteld vrouwe van Dynslaken auf alle rückständigen Zahlungen und sonstigen Forderungen gegenüber den Brüdern bzw. der Grafschaft Kleve und begnügt sich mit der "liftught" (Leibzucht) und "morghengave" (Morgengabe) ihres verstorbenen Mannes, des Grafen Otto von Kleve. Das bedeutet, dass sie die Gerichte Hamborn, Osterfeld, Bottrop, Gahlen und einige Höfe bei Dorsten zurückgibt. Sie verpflichtet sich, ihren Witwenbesitz nach ihrem Tod wieder an den Grafen von Kleve fallen zu lassen. Dreizehn Jahre später, sechs Jahre nach dem Tod ihres Beschützers, des Erzbischofs Heinrich von Virneburg, wird das letzte große Kapitel in der Geschichte unserer Witwe geschrieben. Nach der Quellenlage trifft sie 1338 mit ihren Schwägern in Kleve im Minoritenkloster zusammen17Das Kloster der Minderbrüder, das sind die Franziskaner, ist das einzige größere Gebäude in der Frühzeit der Stadt Kleve; außerdem steht es als Kloster außerhalb der Gewalt der Amtskirche. Durch den gewählten Ort dokumentiert Dietrich IX. seine Überlegenheit und sein Selbstbewusstsein. Das Treffen endet erwartungsgemäß mit einer Übereinkunft zugunsten des Grafen von Kleve, die urkundlich festgehalten wird. In der Urkunde geht es unter anderem um den Streit zwischen Dietrich von Kleve und dessen Bruder Johann (erwähnt seit 1310, gestorben 1368), Domdechant zu Köln, wegen Mechtilds Wittum Dinslaken.

Die Lehnsbindung Kleves an Köln wird bestätigt und Mechtild wird in ihren Witwenrechten bestärkt: Sie darf zu Lebzeiten ihre Leibzucht genießen, und es ist rechtens, dass sie diese an Johann, Domdechant von Köln, übertragen hat.  Johann erhält die Auflage, die Leibzucht und Morgengabe nach ihrem Tod dem Grafen von Kleve zu übereignen.18 Johann regiert zu diesem Zeitpunkt bereits mit Dietrich IX. gemeinsam das Herzogtum Kleve. Er verwaltet seine Besitzungen zeitlebens umsichtig und erfolgreich. Mechtild trifft eine kluge Wahl, als sie sich Johann anvertraut.

Für eine jährliche Rente von 210 Mark alter Brabanter Pfennige, einer seit 1310 am Niederrhein gängigen Zahlungseinheit, tritt Mechtild von Virneburg Dinslaken mit allen Rechten und Pflichten an Johann ab. Dieser gibt das Witwengut Dinslaken an Dietrich IX. weiter.

Im Alter zwischen 40 und 50 Jahren gibt Mechtild es auf, ihren Besitz selbst zu verwalten. In einer Zeit, in der kaum jemand älter als sechzig Jahre wird, ist Mechtild eine alte Frau. Vermutlich sind ihr die mit der Herrschaft verbundene Arbeit und der Ärger zu viel geworden. Aber eine Urkunde aus dem Jahr 1345 zeigt, dass Mechtild immer noch eine begüterte Frau ist und am politischen Leben teilnimmt19Sie verpfändet dem Kölner Domkapitel ihre Leibrente von 150 Florin. Mit dem Betrag bezahlt das Domkapitel Kriegssöldner.

Im Jahr 1371/72 übernimmt Dietrich von der Mark für 30 Jahre die Herrschaft Dinslaken und knüpft nahtlos an Mechtilds Zielen an, denn er privilegiert Dinslaken und errichtet sogar eine Münzstätte, aus der die später berühmten gewordenen Dinslakener Pfennige hervorgehen.

Mechtild lebt, nachdem sie die letzte überlieferte Urkunde ausgestellt hat, weitere 22 Jahre. Für die Menschen des Mittelalters war der Tod etwas Natürliches, das trotzdem die gleiche Angst einflößte wie unerklärliche Naturereignisse. Um für das Seelenheil im Jenseits Vorsorge zu treffen, zogen sich die mittelalterlichen Adeligen oftmals gegen Ende ihres Lebens in ein Kloster zurück. Dass Mechtild im Nekrolog des Klosters Oberndorf bei Wesel20 verzeichnet ist, deutet darauf hin, dass sie ihre letzten Lebensjahre dort verbracht hat. Mit dem ihr verbliebenen Vermögen hat sie dafür gesorgt, dass nach ihrem Tod jährliche Seelenmessen für sie gehalten wurden. Durch das Totenverzeichnis wissen wir, dass Mechtild von Virneburg am 25. April 1360 stirbt. Bedenkt man, dass das Geburtsdatum von Personen des Mittelalters meist unbekannt bleibt, so wird deutlich, dass in gewissem Sinn das Leben weniger als der Tod zählte. Unbekannt ist, wo Mechtild begraben ist. Es scheint unwahrscheinlich, dass sie fünfzig Jahre nach dem Tod ihres Mannes Otto an seiner Seite in der Familiengruft im klevischen Hauskloster Bedburg bestattet wird. Eher wäre ihr Grab auf dem Friedhof des Klosters Oberndorf zu suchen. 

Ein Jahresgedächtnis für sie ist im Nekrolog des Klosters Oberndorf verzeichnet. Was bleibt von Mechtild?

Mechtild von Virneburg, Angehörige einer Familie, die zeitweilig Reichspolitik mitgestaltet, verschlägt es aus dynastischen Gründen von der Eifel an den Niederrhein. Sie heiratet mit Otto von Kleve den Erben einer für den Kölner Bischofsstuhl, auf dem ihr Onkel sitzt, wichtigen Grafschaft. Durch den frühen Tod ihres Mannes wird ihr Leben unerwartet umgestoßen, und sie ist gezwungen,ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, um ihrer Tochter Erbansprüche auf Kleve zu erhalten. Mit dem Nachfolger ihres Mannes, Dietrich IX., gerät sie in Konflikt und verbindet sich, nicht zuletzt wegen familiärer Bande, enger mit den Kölnern, die ihrerseits Ansprüche gegen Kleve durchsetzen möchten. Bis in die Reichspolitik hinein spitzen sich die Auseinandersetzungen zu. Mit der Wahl Ludwigs des Bayern zum deutschen König geht für Köln und Mechtild das Ringen verloren. Mechtild muss einsehen, dass sie als Herrscherin eines kleinen Territoriums, eingeschlossen von mächtigen Nachbarn, nicht bestehen, das Land Dinslaken nicht vererben kann, sondern es an die klevischen Grafen zurückgeben muss. Die Aufhebung der avisierten Heirat ihrer einzigen Tochter mit Adolf von der Mark zeigt ihr, dass sie Dinslaken für sich und ihr Kind nicht halten kann. In dem Spiel um Macht zwischen Kleve und Köln wird sie als Frau und Herrscherin zerrieben. Alles, was dem Schiedsspruch von 1317 folgt, ist als ein hinhaltender Rückzug aus den Pflichten einer Herrscherin zu sehen. 

Sie hat als Frau fast 30 Jahre das Land Dinslaken mit seinen umfangreichen Ländereien, Gerichten, Höfen, Gütern und Menschen verwaltet. Sie hat sich ihres Wittums Dinslaken aktiv angenommen und eigenen Gestaltungswillen gezeigt. Unter ihr wird das Land Dinslaken erstmals als eine Einheit gesehen und geht in die Urkunden ein. Auch wenn Dinslaken an die Klever zurückgefallen und nicht bei den Virneburgern verblieben ist, so ist Mechtilds Herrschaft im Land Dinslaken eine ungewöhnliche Leistung für eine Frau ihrer Zeit!



1 Iwanski, Wilhelm, Geschichte der Grafen von Virneburg von ihren Anfängen bis auf Robert IV. (1383), Dissertation Berlin/Koblenz 1912. Wenn nicht anders angegeben, wird bei der Familiengeschichte und der Politik der Familie voVirneburg auf Iwanski zurückgegriffen.
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2 Kastner, Dieter, Die Territorialpolitik der Grafen von Kleve, Düsseldorf 1972 (Veröffentlichungen des Grafschaft seit 1305.
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3 Seng, Ulrich, Heinrich II. von Virneburg als Erzbischof von Köln, Siegburg 1977 (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 13)
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4 Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, bear. von Wilhelm Kisky. Vierter Band 1304-1332. Düsseldorf 1985 (Pub.GesRheinGeschkde), Urkunden Nr. 240 und 259
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5 Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, a.a.O. Urkunde Nr. 337
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6 Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, a.a.O. Urkunde Nr. 674
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7 Kleve-Mark Urkunden 1223 –1368. Regesten des Bestandes Kleve-Mark Urkunden im Nordrhein Westfälischen Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf, bearb. Von Wolf-Rüdiger Schleidgen, Siegburg 1983 (Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes NW, Reihe C Bd.13), Urkunde Nr. 226
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8 Stampfuß, Rudolf, und Triller, Anneliese, Geschichte der Stadt Dinslaken 1273-1973. Dinslakener Beiträge 10,
Neustadt/Aisch 1973
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9 Kleve-Mark Urkunden, a.a.O., Urkunde Nr. 178
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10 Im Jahr 1319 ließ Graf Dietrich IX. von Kleve (1310-1347) ein umfassendes Verzeichnis der gräflichen Einkünfte anlegen, 1336/7 ließ er erstmals das klevische Urkundenarchiv ordnen und die für die Herrschaft wesentlichen Urkunden abschreiben und so das erste Kopiar der Grafschaft Kleve anlegen. An dieses Verzeichnis ist nachträglich eine Aufzeichnung über die Besitzungen und Einkünfte, die die Altgräfin Mechtild von Kleve etwa 1325 an ihre Schwäger abgetreten hat, angefügt. Das Kopiar ist veröffentlicht von W.-R. Schleidgen, Das Kopiar der Grafen von Kleve, Kleve 1986 (Schriftenreihe des Stadtarchivs Kleve 6) Veröffentlicht ist das zitierte Verzeichnis von 1325 nicht im vorgenannten Kopiar, sondern in "Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen Territorien. Grafschaft Kleve 1. Das Einkünfteverzeichnis des Grafen Dietrich IX. von 1319 und drei kleinere Verzeichnisse des rechtsrheinischen Bereichs, hg. Von F.W. Oediger unter Benutzung von Vorarbeiten von Th. Ilgen und Mitwirkung von M.Petry, 2 Teile, Düsseldorf 1982
(PublGesRheinGeschkde XXXVIII), S. 264 ff
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11 Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, a.a.O. Urkunde Nr. 674
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12 Ebd. Nr. 901
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13 Ebd. Nr. 816
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14 Per definitionem ist Lehen ein weltliches oder geistliches Gut, das dem Beliehenen auf Lebenszeit eingeräumt wird und persönliche, besonders militärische Leistungen und Hofdienste als Gegenleistung erfordert. Ein Reichslehen ist ein unmittelbar vom deutschen Kaiser abhängiges Lehen. Die oben zitierte Urkunde könnte der einzige vage Hinweis darauf sein, daß Dinslaken ursprünglich ein Reichslehen gewesen sein könnte. Denn womit, wenn nicht mit Dinslaken, sollte die Tochter Irmgard des klevischen Grafen belehnt werden?
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15 Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, a.a.O. Urkunde Nr. 1004
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16 Kleve-Mark Urkunden, a.a.O. Urkunde Nr. 178
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17Kleve-Mark Urkunden, a.a.O. Urkunde Nr. 225
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18 Ebd. Nrn. 226 und 227
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19 Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins. Bear. von Theodor Josef Lacomblet. Neudruck der Ausgabe von 1840-1858, Aalen 1960, Urkunde Nr. 427
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20 Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Kloster Oberndorf, Repertorium und Handschriften Nr. 5 Blatt 21 R
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